4. Zürcher Hausärztetag, 11. November 2021

Praxisassistenz - der Schlüssel für genügend Nachwuchs im Kanton

Am 11. November 2021 fand zum vierten Mal der Zürcher Hausärztetag statt. Er stand erneut unter dem Fokus Nachwuchsförderung. Denn die Erfahrung in Zürich, aber beispielsweise auch im Kanton Bern zeigt, dass das Rezept gegen den Mangel an Haus- und KinderärztInnen „Praxisassistenz“ heisst. «Mehr als 80% der Assistenzärztinnen und Assistenzärzte, welche eine Praxisassistenz in einer Haus- oder Kinderarztpraxis absolvieren, werden GrundversorgerIn», berichtete Prof. Dr. med. Dr. Sven Streit, Leiter Interprofessionelle Grundversorgung am Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM), Universität Bern.

Gemäss einer Studie seines Institutes wurden rund 50% dort tätig, wo sie eine sogenannte Praxisassistenz absolvierten. Auch nationale Studien bestätigen diesen Trend. Junge HausärztInnen wählten ihren Standort dort, wo auch die Bevölkerung lebt, ausgewogen in städtischen, periurbanen (d.h. stadtnahen) aber auch ländlichen Gebieten. Als ausgebildeter Grundversorger lösen sie dann in der Haus- oder Kinderarztpraxis rund 94.3% der Gesundheitsprobleme (Studie des Instituts für Hausarztmedizin Zürich) und nehmen dafür nur 7.9% der Gesundheitskosten in Anspruch (Obsan Bulletin 2016/1).

Und wie sieht es im Kanton Zürich aus? Aktuell werden im Kanton Zürich rund 22 solcher Praxisassistenzstellen in Hausarztpraxen und vier Stellen in Kinderarztpraxen vergeben, wie Prof. Dr. med. Dr. Thomas Rosemann, Direktor Institut für Hausarztmedizin an der Universität Zürich am vergangenen Hausärztetag berichtete. In den letzten zehn Jahren ist die Bevölkerung im Kanton Zürich um rund 13 Prozent gewachsen. Nach wie vor wird aber ein relevanter Anteil der haus- und kinderärztlichen Arbeit von über 65-Jährigen geleistet, welche in den nächsten Jahren pensioniert werden. Viele sind auf der Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger.
 
Andreas Geiser leitet gemeinsam mit Birgitta Thomann die Kinder- und Jugendpraxis Schlieren. Sie bilden seit 2011 junge Kinderärztinnen und Kinderärzte in seiner Praxis weiter. Er berichtete in einem informativen Referat wie die Praxisassistenz in seinem Praxisalltag integriert ist. Als Coach hilft der Lehrpraktiker der Praxisassistentin dabei, sich zu einer selbständigen und lösungsorientierten Fachperson zu entwickeln, mit dem Ziel, Lösungen für unterschiedlichste medizinische Fragestellungen zu finden. In der Kinderarztpraxis bedeutet dies, dass während einigen Wochen Lehrpraktikerin und Praxisassistent gemeinsam Vorsorgeuntersuchungen durchführen, entwicklungspädiatrische Fragestellungen bearbeiten und Notfälle behandeln. Anschliessend folgt eine Phase der Supervision, in der täglich gemeinsam Fragen zu Patienten und Krankheitsbildern diskutiert werden. Der Praxisassistent erhält Feedback was er verbessern kann und was er beibehalten soll.
 
«Dank der Ko-Finanzierung von verschiedenen Stellen wie dem WHM oder dem IHAMZ war die Praxisassistenz für mich als Lehrpraktiker bis jetzt gerade ein Nullsummenspiel», betonte Andreas Geiser während seines Referates am Hausärztetag. «Damit eine Praxisassistenz erfolgreich ist braucht es eine geeignete Praxisstruktur, kompetente und motivierte Lehrpraktikerinnen, interessierte und motivierte Praxisassistenten und geeignete Rahmenbedingungen», sagte Andreas Geiser. Schlussendlich erhofft er aber durch sein Engagement eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden. Klar sei, dass ihn die Praxisassistenz auch dazu motiviere, sich medizinisch ‚au courant‘ zu halten und er immer wieder begeistert sei, wenn er die Entwicklungsschritte der künftigen KinderärztInnen sähe.
 
Bei der anschliessenden Publikumsdiskussion berichteten aktive und ehemalige Praxisassistentinnen und -assistenten über ihre Erfahrungen. Die jungen Kolleginnen und Kollegen schätzten während ihrer Weiterbildung in der Praxis die hohe Betreuungsqualität und das Mentoring durch ihre Vorgesetzten, welche ihnen alle Unsicherheiten im Praxisalltag nehmen würden.
 
 «Um den Haus- und Kinderarztmangel wirksam abfedern zu können, sollte demzufolge das vom Kanton finanzierte Stellenkontingent mittelfristig massiv erhöht werden, sodass auch in ländlichen Teilen des Kantons die Grundversorgung nachhaltig gewährleistet werden kann», fasste Stefan Langenegger, Co-Präsident die Diskussion im Anschluss zusammen.
 
Die Diskussion war äusserst konstruktiv und hat zusammen mit den tollen Einführungsreferaten bei den teilnehmenden Politikern, Ärztinnen und Ärzten einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Zudem haben uns Kantonsräte aus den Reihen von SVP, FDP und SP ihre grundsätzliche Unterstützung zugesichert. Beim anschliessenden Apéro konnten viele dieser Eindrücke vertieft werden.

Vertreterinnen von mfe Zürich, des VZK aber auch des IHAMZ waren vergangenen Monat bei der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, wo wir auf grosses Interesse und viel Goodwill gestossen sind. Unser Anliegen, die Anzahl Praxisassistenzstellen in den kommenden Jahren stark zu erhöhen, wurde positiv aufgenommen. Wir bleiben dran und werden euch auf dem Laufenden halten.


 
[1] https://primary-hospital-care.ch/article/doi/phc-d.2019.10110