7. Zürcher Hausärztetag

Haus- und Kinderärztemangel: Kampf um die Fachkräfte in Zürich - Was können Gemeinden und der Kanton dagegen tun?

Der diesjährige Zürcher Hausärztetag drehte sich um die Frage, welche Unterstützungsoptionen Kanton und Gemeinden im Kampf um Haus- und Kinderärzt:innen haben. Der Hausärztetag bietet eine Plattform für den Austausch von Informationen und Fakten, für Diskussionen, Fragen und Lösungsansätze. Umso mehr freut uns das immer weiterwachsende Interesse von Medizin und Politik. Mit über hundert Teilnehmenden dürfen wir einen neuen Teilnehmerrekord verzeichnen.

Als Refenent:innen und auf dem Podium begrüssen durften wir zahlreiche Kernakteure: Die Generation Grundversorger:innen von morgen mit Dr. med Anja Weibel, Dr. med. Julia Hennemann und Dr. med. Anna Martin-Toszeghi sowie dem Hausarzt Dr. med. Jean-Jacques Fasnacht aus Marthalen der auch lang nach seiner Pensionierung hochengagiert weiterarbeitet, vom Kanton Zürich Andreas Daurù, Kantonsrat und Präsident der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit und unsere Kantonsärztin Dr. med. Christiane Meier sowie der Kantonsrat Jörg Kündig, der gleichzeitig als Präsident des Verbandes der Gemeindepräsidien des Kantons Zürich die kommunale Perspektive einbringt. 

Die zur Vorbereitung des diesjährigen Hausärztetages durchgeführte Umfrage von mfe Zürich hat die Ausgangslage und Bedürfnisse in der Grundversorgung klar aufgezeigt. Die Haus- und Kinderärzt:innnen im Kanton Zürich sind weiterhin hochmotiviert und engagiert. Entgegen geläufiger Annahmen, arbeitet heute eine klare Mehrheit der Ärzt:innen nicht im angestellten Verhältnis und ist somit den Herausforderungen der Unternehmertums unterstellt. Der Beruf wird ganz besonders geschätzt aufgrund seiner Vielseitigkeit, der Breite der Medizin, die in der Praxis zur Anwendung kommt, und dem engen und langjährigen Patientenkontakt. An der Schnittstelle mit anderen medizinischem Bereichen agierend wird der interprofessionelle Austausch geschätzt und gepflegt, passende Koordination ist auch für das Wohl der Patient:innen das A und O. 

Doch Einigkeit besteht: Damit die Hausärztin oder der Kinderarzt effizient arbeiten kann, müssen die administrativen Aufwände reduziert werden – Denn heute verbringen Haus- und Kinderärzt:innen satte 20 % ihrer Arbeitszeit mit Administration. Die erweiterte Integration von MPK’s, PA’s und APN’s in die etablierten Praxisstrukturen sind hilfreich und angesichts dem sich abzeichnenden Ärztemangel ein zentrales Standbein. Mit einer adäquaten Tarifposition für weiterentwickelte Formen integrierter Versorgungsmodelle unter ärztlicher Supervision soll TARDOC dringend Abhilfe schaffen. Auch eine vereinfachte Bürokratie soll die Arbeit in der Praxis erleichtern, Papiertiger und Formulare ohne Ende in Bezug auf Berufsausübungsbewilligung, Datenschutz, Arbeitssicherheit, Hygiene, Apothekerbewilligung wären ein zentraler Hebel, wie wertvolle Zeit der Ärzt:innen gespart werden kann – Zeit, die am Patient dringend benötigt wird. Hier ist der Kanton am Zug! Schliesslich gehört zu einer funktionierenden Praxistätigkeit ein adäquater Tarif, ein gut organisierter aber auch angemessen vergüteter Notfalldienst. Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Teilzeitstellen und ein weiterhin vielseitiger Berufsalltag dürfen nicht fehlen. 

 

Ist der Beruf Hausarzt oder die Kinderärzt:in bald nicht mehr Teil unserer Gesellschaft? Nein! Es müssen keine Berge vorschoben und Räder neu erfunden werden, unterstreichen die drei Ärzt:innen Weibel, Hennemann und Martin-Toszeghi. Die Diskussion und Umfrage hat gezeigt, die Ärzt:innen von heute und morgen begeistern sich für diesen Beruf. Und dennoch brennt es, denn die Rahmenbedingungen in der Grundversorgung verschlechtern sich, der Attraktivität des Berufes scheint zu sinken. Mit der Pensionierungswelle der Babyboomer stehen wir von einem massiven Versorgungsengpass. Ungefähr 39% der befragten mfe Zürich-Mitglieder kommen in den nächsten 10 Jahren ins Pensionsalter, sie bringen einen enormen Patientenstamm mit sich (50 % betreuen mehr als 2000 Patient:innen).

Eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen muss sofort angegangen und umgesetzt werden, denn heute entscheiden sich zu wenige für den Einstieg in die Grundversorgung. Ein grosser Hebel besteht bei den Gemeinden, denn gerade die Gründung oder Übernahme einer Praxis birgt grosse Herausforderungen und finanzielle Risiken mit sich – eine Kreditaufnahme von 2 Million mit 35 Jahren ist eine grosse Hürde. Rückendeckung liefern könnten die Gemeinden zum Beispiel mit der Bereitstellung geeigneter Immobilien, zinsfreien Darlehen, Sonderkreditkonditionen, Liquiditätsunterstützung in den ersten Monaten oder subventionierten Mieten. Auch die Unterstützung bei der Suche geeigneter Praxisörtlichkeiten, Hilfe in den administrativen Prozessen für Bewilligungen und Anträge und eine garantierte Kinderbetreuung würden Abhilfe schaffen. Das zeigt unsere Umfrage. 

Jörg Kündig, Präsident des Verbandes der Gemeindepräsidien des Kantons Zürich, ist überzeugt, dass eine Haus- oder Kinderarztpraxis in der Gemeinde als grossen Standortvorteil für die ganze Bevölkerung gilt und zeigt sich optimistisch. Best Practice Beispiele, bei welchen die Gemeinden und die Grundversorger:innen im Dialog gute Lösung gefunden haben und kommunale Unterstützung geleistet werden konnte – so wie jenes Beispiel der Praxis des Podiumsteilnehmer Jean-Jacques Fasnacht in der alten Feuerwehr in Marthalen – gibt es im Kanton Zürich. Der Schlüssel für die vermehrte Zusammenarbeit sei in erster Linie der verstärkte Austausch der Beteiligten und die gegenseitige Kontaktaufnahme, die heute zu selten geschehe. Der Dialog sei aber auch interprofessionell auszuweiten. So sieht Kündig viel Potenzial in der Integrierten Versorgung. Die Gemeinden seien als Zuständige für die stationäre Pflege, die Notfallorganisation und den Rettungsdienst massgeblich daran interessiert und können einen wichtigen Beitrag dazu leisten. 

Die Unterstützung wird jetzt mehr denn je auch vom Kanton gefordert. An erster Stelle steht dabei der Ausbau der Praxisassistenzstellen – mehr Stellen, eine längere Finanzierungsdauer und bessere Lehrarzt-Entschädigungen, aber auch die Erhöhung der Studienplätze, der Ausbau der Grundversorgerausbildung bereits im Studium, die finanzielle Unterstützung von Praktikas, bessere Konditionen für Notfalldienstleistende oder eine Imagekampagne wären effiziente Ansätze. 

Die Relevanz der Hausarztmedizin sei im Kantonsrat ein grosses Thema, bestärke Andreas Daurù, Kantonsrat und Präsident der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit. Dass die Unterstützung von rechts bis links vorhanden ist, hat das kürzlich einstimmig überwiesene Postulat Camenisch zur Attraktivität und Förderung des Hausarztberufs gezeigt. Zahlreiche weitere Geschäfte wie beispielsweise die Schaffung 500 zusätzlicher Studienplätze in Humanmedizin bis 2028 oder die adäquate Umsetzung des TARDOCs im kantonalen Taxpunktwert wurden eingereicht. 

Als hochrelevante Austauschplattform wurde die Thematik am Hausärztetag in ihrer Vielseitigkeit beleuchtet und erörtert. Jetzt sollen weitere Schritte auf kantonaler und kommunaler Ebene folgen. Im direkten Austausch mit den unterschiedlichen Akteuren wird sich mfe Zürich nachhaltig und konsequent für eine klare Verbesserung einsetzen. 
 

Die 8. Ausgabe des Zürcher Hausärztetags wird am Donnerstag, 30. Oktober 2025 stattfinden.

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